Das brasilianische Steuersystem steht dem deutschen an Komplexität in nichts nach und übertrifft dieses in einigen Bereichen sogar. Der Bund, die Bundesländer und die Gemeinden haben für die in ihren jeweiligen Kompetenzen liegenden Steuerarten die volle Steuerhoheit (Gesetzgebung, Verwaltung, Erträge).
Wesentliche Rechtsgrundlagen sind brasilianische Bundesverfassung (CF – Constituição Federal) von 1988 sowie das nationale Steuergesetzbuch (CTN – Código Tributário Nacional) aus dem Jahre 1966. Hinzu kommen Steuervorschriften, welche die GTAI kürzlich mit gut 320.000 Normen beziffert hat, wovon 30.322 Normen auf die Bundesebene (5 Regionen), 96.664 auf die Bundeslandebene (27 Bundesländer) und 193.357 die die Ebene der Kommunen (5.570 Gemeinden) entfallen. Die indirekten Steuern machen gut das Doppelte des Aufkommens der direkten Steuern aus.
Das ehemals für Klarheit sorgende Abkommen zur Vermeidung einer doppelten Besteuerung (DBA) zwischen Deutschland und Brasilien wurde von deutscher Seite nach über 30 Jahren zum 31.12.2005 gekündigt. Der Abschluss eines neuen Abkommens ist trotz vorhandener und zuletzt zunehmender bilateraler Bemühungen weiterhin nicht konkret absehbar. Die Rechtsfolgen der Kündigung des DBA haben sich zwar insgesamt als harmloser herausgestellt als befürchtet, führen aber gleichwohl zu größeren Unsicherheiten und erfordern deshalb eine sorgfältige Steuerplanung bei Handels- und Investitionsvorhaben zwischen beiden Ländern. Brasilien wendet wie Deutschland das Prinzip der Welteinkünfte an. Dies ist unter anderem für entsandte Fachkräfte von Bedeutung. Ihnen wird in der Regel zu empfehlen sein, für die Zeit ihrer Tätigkeit in Brasilien den deutschen Wohnsitz abzumelden, um nicht in beiden Ländern der unbeschränkten Steuerpflicht mit ihren Welteinkünften zu unterliegen. Doch auch für solche Fälle sehen die jeweiligen nationalen Steuergesetze in der Regel die zumindest teilweise Anrechnung der im jeweils anderen Land gezahlten Steuern vor.
Brasilianische Firmen und Personen, ausländische Gesellschafter und Geschäftsführer brasilianischer Unternehmen, in Brasilien dauerhaft oder vorübergehend in Brasilien lebende oder arbeitende Ausländer sowie ausländische Erwerber brasilianischer Immobilien benötigen eine brasilianische Bundessteuernummer. Diese heißt bei natürliche Personen CPF (Cadastro da Pessoa Física) und bei juristischen Personen CNPJ (Cadastro Nacional da Pessoa Jurídica).
Im Dezember 2023 ist in Brasilien eine umfassende Steuerreform in Kraft getreten. Diese wird bis zum Jahr 2033 Schritt für Schritt in Ausführungsvorschriften geregelt und umgesetzt werden. In den folgenden Kapiteln (II.-VIII.) wird die geltende Rechtslage dargestellt, während im letzten Kapitel (IX.) kurz auf die Steuerreform eingegangen wird.
Die brasilianische Körperschaftssteuer heißt kurz IRPJ (Imposto de Renda da Pessoa Juridica). Sie ist eine Bundessteuer und beträgt 15% der steuerpflichtigen Gewinne bis BRL 240.000,00
p.a. plus weiteren 10% für darüber liegenden Gewinne. Die Körperschaftssteuer beträgt damit 15% bzw. 25%. Hinzu kommt die Gewinnsozialabgabe, kurz CSLL (Contribuição Social sobre o Lucro Líquido), in Höhe von 9% auf den Nettogewinn. Körperschaftssteuer und Gewinnsozialabgabe summieren sich somit auf maximal 34%.
Die Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns kann entweder auf Basis des tatsächlichen, buchhalterisch ermittelten Gewinns (Lucro Real) erfolgen oder im Rahmen eines vereinfachten Verfahrens auf der Grundlage eines pauschal angenommenen Gewinns (Lucro Presumido), dessen Höhe je nach Art der unternehmerischen Aktivität mit einem gesetzlich bestimmten Prozentsatz vom Umsatz angenommen wird (z. B. 8% bei Industrien, 32% bei den meisten Dienstleistungen). Bezüglich der Art ihrer Gewinnermittlung (tatsächlicher oder angenommener Gewinn) steht den Unternehmen jährlich ein Wahlrecht zu, wobei unterjährig kein Wechsel erfolgen darf. Für die Option des vereinfachten Verfahrens des angenommenen Gewinns, welches vor allem für hochprofitable Unternehmen interessant ist, muss die Firma spezielle gesetzliche Voraussetzungen erfüllen, beispielsweise einen Vorjahresumsatz von nicht mehr als BRL 78 Mio. aufweisen, und nicht in besonderen Bereichen tätig sein, wie etwa Banken oder öffentliche Firmen.
Neben IRPJ und CSLL sind zwei umsatzabhängige Sozialprogrammabgaben, ebenfalls in Bundeskompetenz liegend, zu entrichten. Es handelt sich um die Sozialintegrationsabgabe namens PIS (Programa de Integração Social) und die Sozialfinanzierungsabgabe namens COFINS (Contribuição para o Financiamento da Seguridade Social), die bei der Besteuerung des Lucro Real in Höhe von 1,65% (PIS) und 7,6% (COFINS), jeweils bezogen auf den Bruttoumsatz erhoben werden. Die Summe dieser beiden Abgaben beträgt beim Verfahren des tatsächlichen Gewinns damit 9,25%, mit der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs. Im vereinfachten Besteuerungsverfahren des angenommenen Gewinns betragen diese Abgaben in der Summe hingegen nur 3,65%, wovon 0,65% auf PIS und 3% auf COFINS entfallen.
Weitere Sonderregelungen der Unternehmensbesteuerung gibt es im Rahmen des so genannten SIMPLES für kleine Firmen (Microempresas – ME: jährliche Bruttoeinnahmen bis BRL 360.000,00) und mittlere Unternehmen (Empresas de Pequeno Porte – EPP: jährliche Bruttoeinnahmen von über BRL 360.000,00 bis BRL 4.8 Mio.), bei denen die gesamte Besteuerung nach einem reduzierten Steuersatz erfolgt, der auf die monatlichen Bruttoeinnahmen erhoben wird. Unternehmen mit ausländischer Kapitalbeteiligung ist das Besteuerungsregime SIMPLES allerdings verwehrt.
Die Einkommenssteuer für natürliche Personen (IRPF – Imposto de Renda de Pessoa Fisica), ebenfalls in der Bundeskompetenz liegend, folgt einem relativ einfachen Mechanismus auf Basis einer dreistufigen progressiven Einkommenstabelle, die jährlich angepasst wird. Niedrige Einkünfte bis derzeit BRL 2.259,20 pro Monat (Stand: 2024) sind von der Einkommenssteuer befreit. Darüber liegende Einkünfte werden nach einer progressiven Tabelle stufenweise mit
7,5%, 15%, 22,5% und 27,5% besteuert. Der Spitzensteuersatz wird derzeit auf Einkünfte von über BRL 4.664,68 pro Monat (Stand: 2024) erhoben. Es gibt nur wenige Abzugsmöglichkeiten, etwa für abhängige Familienangehörige sowie Ausbildungs- und Gesundheitsaufwendungen.
Diese Grundsätze gelten sowohl für Brasilianer als auch für in Brasilien wohnhafte Ausländer, welche bei Vorliegen eines Dauer- oder Arbeitsvisums ab dem Tag der tatsächlichen Einreise auf Basis des Visums der unbeschränkten Steuerpflicht in Brasilien unterliegen („Steuerinländer“).
Inhaber sonstiger zeitlich befristeter Visa, wie etwa mit Technikervisum entsandte Techniker ohne brasilianischen Arbeitsvertrag, bleiben bis zu 183 Tage innerhalb einer kalenderunabhängigen 12-Monats-Periode lediglich beschränkt steuerpflichtig in Brasilien („Steuerausländer“). Bei solchen beschränkt steuerpflichtigen Ausländern unterliegen alle in Brasilien getätigten Einnahmen einer pauschalen 25%igen Quellenbesteuerung.
Ab dem 184. Tag ihres Aufenthalts innerhalb einer kalenderunabhängigen 12-Monats-Periode werden auch sie wie Brasilianer bzw. Ausländer mit Dauer- oder Arbeitsvisum besteuert, das heißt, in Brasilien mit ihren gesamten Welteinkünften unbeschränkt steuerpflichtig.
Veräußerungsgewinne von Ausländern werden mit 15% besteuert, wobei sich dies bei
„Steuerinländern“ auf die weltweiten und bei „Steuerausländern“ nur auf die brasilianischen Veräußerungsgewinne bezieht.
Neben den oben erwähnten Körperschafts- (IRPJ) und Einkommenssteuern (IRPF) und den Abgaben CSLL, PIS und COFINS auf Gewinne und Umsätze sind auf Bundesebene vor allem folgende Steuern und Abgaben zu nennen:
Zur Übersicht aller beim Warenimport nach Brasilien anfallenden Steuern und Abgaben, siehe unten (Ziffer VII.).
Für Importe von Kapitalgütern und IT-Produkten, die in Brasilien nicht hergestellt werden, kann eine Befreiung vom Importzoll oder eine Reduzierung des Steuersatzes beantragt werden („ex-tarifário“). Damit will Brasilien die Einfuhr innovativer Produkte erleichtern und die Erneuerung des nationalen technologischen Umfelds fördern.
Exporte grundsätzlich gefördert werden sollen. Bemessungsgrundlage ist der Exportwert (FOB).
, Finanz- und Versicherungsgeschäften fällig. Der Satz liegt zwischen 0 und 25%. Bei Banküberweisungen ins Ausland fällt ein Regelsatz von 0,38% an, der im Einzelfall auch höher liegen kann.
In Brasilien gibt es insgesamt drei Landessteuern, für die Brasiliens 27 Bundesländer, einschließlich des Bundesdistriktes (DF), jeweils die volle Steuerhoheit genießen. Dies führt etwa im Falle von Brasiliens ertragsreichster Steuer, der Landessteuer ICMS (s.u.) zu über 40 unterschiedlichen Steuersätzen, fasst man alle Bundesländer und den Zwischenländerbereich zusammen.
Folgende drei Landessteuern werden unterschieden:
Comunicação), die auf Warenumsätze, Transport- und Kommunikationsdienstleistungen sowie auf Importe erhoben wird; der Steuersatz ist abhängig vom Bundesland sowie der Art des Produktes oder der Dienstleistung und variiert zwischen 7 und 25%. In der Regel beträgt sie zwischen 18% (z. B. São Paulo und Minas Gerais) bis 22% (Rio de Janeiro). Zur Vermeidung von Steuerguthaben beim Import gibt es ein Regime Especial.
Brasiliens insgesamt 5.570 Gemeinden besitzen die volle Steuerhoheit für folgende drei Gemeindesteuern:
Beim Warenimport nach Brasilien fallen in der Regel die in der nachfolgenden Tabelle aufgeführten Steuern und Abgaben an. Bemessungsgrundlage ist der Zollwert, welcher dem CIF- Wert (Cost, Insurance, Freight – CIF) entspricht, der sich aus der Addition des FOB-Wertes (Free on Board), den Kosten des internationalen Transportes und dem fiktiven Satz von 0,5% für die internationale Versicherung ermittelt.
Folgende Steuer- und Abgabenarten fallen beim Import von Waren in Brasilien an: Importsteuer (II), Industrieproduktsteuer (IPI), Sozialabgaben (PIS/COFINS) und Warenumlaufsteuer (ICMS).
Hinzu kommen bei der Abfertigung und Verzollung anfallende Abgaben und Gebühren wie etwa die Umschlags-, Abfertigungs-, Lagerhaltungs-, Bank- und Siscomex-Gebühr, sowie bei
Seefrachten die Abgabe zur Erneuerung der Handelsmarine (AFRMM) in Höhe von 25% der Seefracht.
Daraus ergibt sich grob gesagt im Regelfall folgende Besteuerung von Warenimporten:
Steuerart | Kompetenz | Bemessungsgrundlage |
Importsteuer bzw. Einfuhrzoll – II | Bund | CIF-Wert |
Industrieproduktsteuer – IPI | Bund | CIF-Wert + I.I. |
Sozialgaben – PIS + COFINS | Bund | CIF-Wert |
Warenumlaufsteuer – ICMS | Land | CIF-Wert+ I.I. + I.P.I. + IOF + PIS/COFINS + ICMS + Siscomex-Gebühr + AFRMM + Zollgebühren |
Im Einzelfall kann es Abweichungen geben, so dass Jeder Einzelfall ist im Vorfeld zu detailliert zu prüfen, damit eine solide Preiskalkulation aufgestellt werden kann.
Die volle Verantwortung für die ordnungsgemäße Deklarierung und Abführung der beim Import anfallenden Steuern und Abgaben trägt allein der brasilianische Importeur.
Erbringt ein im Ausland sitzender Dienstleister seine Dienste für einen in Brasilien sitzenden Kunden, stellt das aus brasilianischer Sicht einen Import von Dienstleistungen dar. Dieser unterliegt einer erhöhten Besteuerung.
Neben der oben erwähnten kommunalen Dienstleistungssteuer ISS (Ziffer VI.) fallen beim Dienstleistungsimport auf Bundesebene folgende weitere Steuern und Abgaben an: IRRF, CIDE, IOF, PIS und COFINS.
Im Dezember 2023 ist in Brasilien eine umfassende Steuerreform in Kraft getreten. Diese wird bis zum Jahr 2033 Schritt für Schritt in Ausführungsvorschriften geregelt und umgesetzt werden. Ziele der Reform sind die Vereinheitlichung der heute geltenden Steuern, Schaffung von mehr Transparenz, Reduzierung der Komplexität und Modernisierung des Steuersystems. Die beschlossenen Maßnahmen sollen der brasilianischen Wirtschaft positive Impulse setzen und zu ihrem langfristigen Wachstum beitragen.
Die wichtigsten Änderungen sind:
Für weitere Einzelheiten und Fortschritte der Implementierung der brasilianischen Steuerreform treten Sie bitte gerne in Kontakt.
Stand: Juli 2024
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